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Jahr: 2023
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- S.6
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Der Standard
„Der ausgebremste Bürgermeister“, Seite 7
5.1.2023
Fato: APA / Johanın Groder
Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) will Innsbruck zu einer „menschengerechten statt autozentrierten Stadt“ machen.
Der ausgebremste Bürgermeister
Eine flächendeckende Tempo-30-Beschränkung in Innsbruck ist vom Tisch.
Für das Herzensprojekt von Bürgermeister Georg Willi gibt es keine politische
Mehrheit mehr. Übrig bleibt ein Minimalkompromiss.
gebiete leiser, umweltfreundlicher und
sicherer machen. In Innsbruck hatte ein
diesbezüglicher Antrag eines SPÖ-Gemeinderates im Mai 2022 eine Mehrheit gefunden.
Daraufhin wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Bevölkerung wurde zu Diskussionen geladen, die zuständigen städtischen
Fachämter begannen, Geschwindigkeitsdaten
zu sammeln. Am Dienstag legten Arbeitsgruppe und Fachämter schließlich ihre Empfehlung vor: Sie beurteilten eine allgemeine Temporeduktion — einige Durchzugs- und Sammelstraßen ausgenommen - als sinnvoll.
Ablehnung im Verkehrsausschuss
Doch ein flächendeckender 30er kommt
vorerst nicht. Es gibt nämlich nun doch keine
politische Mehrheit dafür, Der Verkehrsausschuss lehnte den Vorschlag ab. Der Zuspruch
für das Projekt, für das Bürgermeister Georg
Willi (Grüne) eifrig geworben hatte, hatte bereits im Sommer zu bröckeln begonnen.
Stadträtin Christine Oppitz-Plörer von der
— ursprünglich mehrheitsbringenden — Liste
Für Innsbruck hatte besagte Arbeitsgruppe
Anfang August verlassen.
Willi sei medial vorgeprescht. Er habe
unabgesprochen „Pflöcke eingeschlagen“ und
eine „hitzige öffentliche Debatte“ losgetreten,
indem er fälschlicherweise behauptet habe,
dass eine Temporeduktion bereits beschlossene Sache sei, rechtfertigte Oppitz-Plörer ihre
E ine Tempo-30-Beschränkung soll Orts-
Maria Retter
damalige Entscheidung im Gespräch mit dem
STANDARD. Dass Oppitz-Plörer die Arbeitsgruppe damals trotz anfänglicher Zustimmung verließ, sei „nicht Ausdruck demokratischen Verständnisses“ und mache „keinen
schlanken Fuß“, konterte indes Willi.
Willi: Niederlage des Gemeinderates
Der grüne Stadtchef will Innsbruck in eine
„zukunftsfitte, menschengerechte statt autozentrierte Stadt“ verwandeln. Dass Tempo 30
nun vorerst ausgebremst wurde, wertete er
nicht als persönliche Niederlage, sondern als
Armutszeugnis für den Gemeinderat.
Es gebe „keinen rationalen Grund“ sich
gegen Dinge zu sträuben, die „so logisch auf
dem Tisch liegen“, fand er. So hätten Erhebungen gezeigt, dass auf den meisten Straßen
ohnehin mit lediglich zwischen 30 und 40
Stundenkilometern gefahren werde. Ein weiterer Vorteil von Tempo 30: „Die Verkehrsteilnehmer achten mehr aufeinander.“
Dass eine flächendeckende Temporeduktion noch in dieser Legislaturperiode kommt,
glaubte Willi nicht. Dennoch zeigte er sich
zuversichtlich: „Die Zeit arbeitet in meine
Richtung.“ Den Menschen sei klar, dass es „so
nicht mehr weitergehen“ könne, nahm er Bezug auf den Klimawandel.
Eine stadtpolitische Klimakrise zeichnet
sich indes schon seit Monaten ab. Abwahlund Neuwahlanträge sind an der Tagesordnung. Seit die Viererkoalition aus Grünen,
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ÖVP, SPÖ und Für Innsbruck im Frühjahr 2021
auseinandergebrochen war, herrscht in Innsbruck ein „freies Spiel der Kräfte“,
Willi sieht seine Reformpläne regelmäßig
durch politische Widersacher torpediert. Die
anderen Parteien wiederum geißeln beständig
des Bürgermeisters angeblich mangelnden
Teamgeist, Willkür, eine ihrer Meinung nach
chaotische Amtsführung sowie (mediale)
Alleingänge.
Die verfahrene Debatte rund um Tempo 30
wertete Oppitz-Plörer nicht als ein Zeichen
des stadtpolitischen Stillstandes. Es gebe
durchaus Mehrheiten für „gute Dinge“. Der
Bürgermeister und die Seinen seien oftmals
schlicht nicht Teil davon. Willi müsse sich
selbst „hinterfragen“, so die Stadträtin: „Das
Kernproblem ist er.“
Vier-Straßen-Kompromiss
In der Tempo-Debatte zeichnet sich nun
zumindest ein Minimalkompromiss ab: Der
Stadtsenat beschloss im vergangenen Dezember, über vier Straßen(abschnitte) noch einmal zu beraten. Zu zweien davon seien die gesetzlich vorgeschriebenen Ermittlungsverfahren bereits durchgeführt worden, hieß es in
einer Aussendung. Zwei verkehrsrechtliche
Gutachten werden noch durchgeführt.
„Ein erster Schritt in die richtige Richtung“,
kommentierte das die zuständige Mobilitätsstadträtin Uschi Schwarzl von den Grünen.
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