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Jahr: 2023

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Der Standard

„Schlittenfahren mit der Natur“, Seite 14

26.1.2023

Weder sattelfest noch in der Spur scheint der Rodelsport zu sein, wenn es um die Umwelt geht. Auch die Winterspiele 2026 könnten in Sachen Nachhaltigkeit das Nachsehen haben.

Schlittenfahren mit der Natur

Nachhaltigkeit hin, Umweltschutz her: In Cortina d’Ampezzo soll für 2026 ein olympischer Eiskanal gebaut werden.
Dabei liegt Innsbruck-Igls keine hundert Kilometer Luftlinie entfernt. Markus Prock ist hin- und hergerissen.

ije wurde sich nicht über
Südkorea und China em-

pört, als dort zu den Winterspielen 2018 bzw. 2022 gewaltige
Anlagen für Rennrodeln, Bobfahren
und Skeleton aus dem Boden gestampft wurden. Wenige Jahre später ist die Stimmung zumindest in
Italien, aber nicht nur dort, eine
andere. Schließlich stehen

2026 die Olympischen Spiele in Cor-

Plan, mit
den drei Kufendisziplinen nach
Innsbruck-Igls zu übersiedeln, das
zwar jenseits einer Grenze, aber
nicht weiter als hundert Kilometer
Luftlinie oder zweieinhalb Autostunden entfernt liegt, hat Italien
nun eine Absage erteilt. Begründung: Die Bahn in Igls müsse um
50 Millionen Euro renoviert werden,
da baue man lieber um gut 100 Mil-
Ort. Prompt liefen Umweltschutzorganisationen Sturm gegen den
von Luigivalerio Sant’Andrea verkündeten Beschluss. Er ist Regierungskommissar und Geschäftsführer der Gesellschaft Milano Cortina

2020-2026, die für den Bau der Infrastrukturen für die Winterspiele

zuständig ist.

Kundige bawe1feln dass sich
eine neue Bahn mit Investitionen
von nur 100 Millionen Euro hinstellen lässt. Markus Prock ist so ein

Knud:ger der 58-jährige "I‘nrolerwar

Olympiazweiter im Einsitzer, seit
2018 steht er dem heimischen Rodelverband als Präsident vor, Prock ist,
was die Cortina-Igls-Diskussion betrifft, hin- und hergerissen, das gibt
er zu. Dem Sport insgesamt und der
Rodelnation Italien würde eine neue
Bahn natürlich nicht schaden, sagt
er. Deshalb und aus Verbundenheit
mit seinem alten Südtiroler Rivalen
und Spezi Armin Zöggeler, der heute Vizepräsident des Weltverbands
(Fil) ist, will er nicht schlecht über
Cortina reden.

Ein schlechtes Beispiel

Aber Prock kann auch verstehen,
wenn ein Neubau aus Umweltschutzgründen kritisiert wird. Natürlich könne man „die Nachhaltigkeit infrage stellen“. In Italien
kommt dazu, dass ja schon für die

Fritz Neumann

Spiele 2006 (Turin/Sestriere) ein
Eiskanal errichtet wurde, der danach praktisch nicht mehr in Verwendung war. Die Errichtung dieser
Bahn vor zwei Jahrzehnten hatte
laut Prock schon 120 Millionen Euro
gekostet, auch deshalb würde er
meinen, dass heute eher ein Vielfaches zu berappen wäre.
Derl!lskanalml;ls‚auchdaraus
macht Prock kein Hehl, müsste
nicht nur für olympische Bewerbe
renoviert werden. „Da müsste man
so oder so dringend etwas tun.“ Die
für die Winterspiele 1976 errichtete

„In Igls müsste man so oder so
dringend etwas tun“, sagt Prock.
Foto: APA / EXPA / Erich Spiess

Seite 16 von 17

Anlage sei ein echter Wirtschaftsfaktor, bringe 25.000 Nächtigungen
im Jahr. Doch bald würde sie die Zulassung zumindest für Bobbewerbe
verlieren. Der Auslauf gehört umgebaut, verlängert, überdacht, der
Frauenstart müsste weiter nach
oben verlegt werden. „Und die Startanlage bricht auch langsam zusammen.“ Eine ordentliche Anschubanlage wäre überfällig.
Ein guter Anlass

Was das alles kosten würde? Verbandspräsident Prock meint, dass
Igls mit Investitionen in Höhe von
32 Millionen Euro das Auslangen
finden könnte. Olympiabewerbe
wären klarerweise kein schlechter
Anlass, um bei der Stadt, beim Land
und beim Bund wegen Förderungen
vomullm zu werden. Zudem sollte
man meinen, dass die Cortina-Organßatom.soswdoch nochnachlgls
ausweichen, sich an etwaigen Kosten beteili könnte

Im Gegenzug
lglsdemitalienischen0!ympiateam angedach!
beispielsweise mehr Trainingsmög-

lichkeiten garantieren, also zu einer
Art Heimvorteil verhelfen.

Er wolle „nicht gegen Cortina
schießen“, sagt Prock, das habe er

auch Zöggeler versprochen. „Aber
bevor dort nicht die Bagger fahren,
glaub ich nicht an eine neue Bahn.“
Dem olympischen Dachverband 1I0C
wird seit vielen Jahren Gigantismus
und Ignoranz in Umweltschutzdingen vorgeworfen. Und Cortina wurde nicht zuletzt damit beworben,
dass sich die olympische Bewegung
wieder der Natur annähern wolle.
Dieser Geschichte würde eine neue
Eisbahn zuwiderlaufen, schließlich
stellt neben oder nach ihrem Bau
auch ihre Erhaltung eine Umweltbelastung samt großem Energieaufwand dar.

China kratzt das zwar wahrscheinlich nicht, aber das IOC muss
sich sehr wohl die Frage gefallen lassen, ob der 500 Millionen US-Dollar
teure Eiskanal in Yanging tatsächlich nur für die Spiele 2022 gebaut
wurde, Im Folgewinter findet dort
kein einziger Welmcupbewerb statt.
Wemgstens

auch nicht.“