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Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023_01_19_Presse_OCR
- S.5
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Tiroler Tageszeitung
„Innsbrucker Studie rüttelt an Lehrmeinung zu Boden-Ozon“, Seite 6
Die Erkenntnisse aus der Tirder Landeshauptstadt könnten Auswirkungen auf künftige Berechnungsmethoden haben.
Innsbrucker Studie rüttelt an
Lehrmeinung zu Boden-Ozon
Messungen im Stadtgebiet von Innsbruck zeigen, dass der Anteil
von bodennahem Ozon in Atmosphärenmodellen überschätzt wird.
Innsbruck — Der 40 Meter hohe Messturm des Innsbruck
Atmospheric Observatory an
der Universitätskreuzung im
Stadtgebiet von Innsbruck
liefert laufend Daten über die
Zusammensetzung der bodennahen Atmosphäre. Pro
Stunde werden 36.000 Datenpunkte erfasst. Mit einem speziellen Messverfahren — der so
genannten Eddy-Kovarianz-
Methode — lässt sich die Konzentration von Luftbestandteilen laufend überwachen.
Ein internationales Team um
Thomas Karl vom Institut für
Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck hat diese
Daten nun dazu genutzt, die
Chemie von Ozon, Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid
im urbanen Raum derailliert
zu studieren. Der hohe Anteil
von Dieselfahrzeugen in europäischen Städten führt zu
starken Stickstoffmonoxid-
Konzentrationen. Dieses reagiert mit Ozon, wodurch
Stickstoffdioxid entsteht. In
der Atmosphäre zerfällt Stickstoffdioxid wieder zu Stickstoffmonoxid und atomarem
Sauerstoff, der sich sofort mit
Luft-Sauerstoff zu Ozon verbindet.
Dieser chemische Zyklus
wurde vor über 60 Jahren im
ersten Lehrbuch zur Luftverschmutzung von Philip
Leighton mathematisch beschrieben. Das Verhältnis der
beiden Prozesse wird seither
als Leighton-Beziehung bezeichnet. Computermodelle der Atmosphärenchemie
nutzen die Leighton-Beziehung, um die Komplexität zu
minimieren, indem sie die
Konzentration von Ozon,
Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid aus der Konzentration der jeweils beiden anderen ableiten.
Die Daten der Innsbrucker
Atmosphärenforscher zeigen
nun, dass bei Vorhandensein
von hohen Stickstoffmonoxid-Emissionen rechnerische Vereinfachungen, die
Leighton vorgenommen hat,
RD ara Kra
‚ Modellrechnungen
überschätzen die
Konzentration von
bodennahem Ozon im
urbanen Raum.“
Thomas Karl
W P ’
zu falschen Ergebnissen führen. „In Städten mit hohen
Stickstoffmonoxid-Emissionen wird dieses Verhältnis
um bis zu 50 Prozent überschätzt“, warnt Thomas Karl.
„Dies führt dazu, dass Modellrechnungen die Konzentration von bodennahem Ozon
im urbanen Raum überschätzen. Dies spiegelt sich auch
in den Luftgütevorhersagen
wider.” Nicht vernachlässigt
werden dürfe dieser Effekt in
der Modellierung der unters-
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ten Schicht der Atmosphäre,
bis zu 200 Meter über dem
Boden.
Verantwortlich für den
von den Innsbrucker Wissenschaftern untersuchten
Effekt sind neben dem Vorhandensein hoher Stickstoffmonoxid-Emissionen die
im urbanen Raum stärkeren
Turbulenzen. Die Durchmischung der Gase kombiniert
mit den relativ rasch ablaufenden chemischen Prozessen führe dazu, dass mehr
Ozon in Stickstoffdioxid umgewandelt wird. Die Daten
der Forscher zeigen auch,
dass der direkte Ausstoß von
Stickstoffdioxid durch den
städtischen Verkehr demgegenüber weitgehend vernachlässigbar ist. „Wichtig bleibt
festzustellen, dass umweltpolitische Vorschriften nicht
auf Modellrechnungen rekurrieren, sondern abhängig
von tatsächlich gemessenen
Schadstofikonzentrationen in
Kraft treten“, betont Thomas
Karl. (TT}