Pressespiegel seit 2021
Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_12_23_Presse_OCR
- S.9
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Der Standard
„Ihr Kinderlein, kommet“, Seite 6
23.12.2022
oaltalk nennt man in den soge-
nannken sazlalen Medien das,
wenn es mal nicht mur glartgefilterte eindrücke vom „schönen”
Leben g sonderm wenn es zur SacChe geht, abso am das „echte” Leben.
Das ist nicht immer schön, Wenn
das danın vom digitalen Bilderbuch
Instagram auf Twitter verfrachtet
wird, ist es schnell geich noch weniger schön. Real Life. Bchtes Leben.
Johanna Jachs, 3e-jährige ÖVP-
Narionalra| nete aus Öberösterreich, pastete diese Woche so
einen Schnipsel echtes Leben (siehe
Foto rechts unten), nämlich wie cs
ist, wenn man als aBeinerzichende
Politikerin ein Kkleines Kind, das
Krank ist, und einen Kalender voller
Termine jongleren Tauss: „Auch
wenn 08 hier manchmal so scheint,
als ob ich das albes im Griff hätte ...
das is£ nicht der Fall.®
Keine Runde Mitleid
Ein User postete das Insta-Foto
auf Twitter und kommentierte: „Als
alleinerziebende Mutter, mit knapp
10.000 € im Monat, hat man es nicht
immer leicht. Das ist schon ein schr
schweres Schicksal.“ Der Tenor darunter war recht einmütig: „Dams
ckerei.”” „Was für ein ahnungsloses
Pupperl” „Fine Tagesmutti engagieron bei diesem Saldr kammt nacht in
en Sımn?” „Was für ein Tratscherl,”
„Eine Runde Mötleid,”
Eln paar Postings konterten der
„Häme”, „Auch mit hotbem Einkom-
Men kst es dzt, Mmühsam mit Kind.
VieBeichn möchte die Dame ja auch
für Ihr Kınd da sein, vielleicht sind
die Nächte anstrengend, vielleicht
ist man selbst ständig halb krank ...“
Ein anderer schrieb: „um fair zu
bieiben ... ich kann das schon verstehen echräich gesagt” Und noch
einer meinte: „Ich wettr, dieselben
Menschen hätten sich echauffsert,
wenn sie eine ext. praf. Betreuung
für ihr krankes Kind hätte.””
Wie sie &s also macht, macht sie
es falsch. Sachs —- ihre Tochter Franziska ist dreijeinhalb — erzählt im
STANDARD-Gespräch, dass sie mit
Ührer Insta-Story „sicher kein Mitloid”* wollte, sandern mar „ans Eltern wieder einmal sagen, was wir
Großartiges leisten, gerade jetzt
M0 Dhr, wo alle Kliixder dauernd
krank sind.“ Abev auch wenn uw
“ sei, Wösten sich dadurch
nicht alle Probleme automatisch in
Luft auf, Ihre Mutter, die Oma, ist
selbst noch voll berufstätig, die Uroma ohnehin fixer Pfeier im fami-
Kären Betreuungsnetz, aber auch
die falıt N:££ Der Kindsvater, der
m H.
Amesbauer, und seine Eltern sind,
»00 Kilometer entfernt wohnend,
nur bedingt verfügbar im Alltag.
„Natürlich wäre ein Babysitter mäg-
Bıch, aber mein Kind IS! jeden Tag bis
16 Uhr (remdbetreut, Für oln Au-palr
braucht man auch die räumlichen
Möglichkeiten, Ich bhabe mehrere
Abendiermine pro Woche, Da ist es
mir Keber, die vertraute Oma bringt
e ins Bett“, sagt Jachs, „Es bleibt
immer ein Gewissenskonflikt, wei)
man so wiel Zeit wie möglich mit
dem Kind verbri möchte“
Zamindest rund um die Gebart
würde sie sich diese Zeit als Recht
wünschen — also Mutterschatz auch
für Politikerinnen. Dafür setzt sich
dic.luridin uhnn l.
# cin. Nur mit
könne der nach immer |,unngc
Frauenanteil in der Politik gehoben
worden: „Junge Franen sollen sich
nicht zwischen Polltik oder Familie
entscheiden müssen. Das ‚wund
Muss selbstverständlich werden.”
Ihr Kinderlein, kommet
Wenn Eltern berufstätig und ihre Kinder krank sind, heißt das Ausnahmezustand. Das gilt auch für Politikerinnen.
Oder? Die öffentliche Reaktion sieht das oft anders, Nachschau im „echten Leben” bei drei jungen Politikerinnen.
ELa war mit Ihren vier Monaten
chon zehn Ibl im "crbmmt
Ein Thema, das Jachs seibest betroffen hat, als sie bochschwanger
zu einer Abstimmung über ein Gesetz im Verfassungsrang nach Wien
mnyusste, m die Fmge nach "ellre
tragxngrn. Dafür sneht der Verfassungsjurist Heinz Mayer jedoch keinen Spielraum: „Wer gewählt ist,
muss persönlich abstimmen. Was
man zulassen könnte für diverse
Verhinderungsgründe, wäre eine
Kaktranlarhe. Alırti
g Das
wäre aus der Entfernung machbar”
‚Julia Seldi hat eine einzige Pke-
MIMSSiZUNG versiamt, direkt nach
der Entbindung, erzählt die 3r-fährt-
Lisa Nimmervon!
ge Neoas-Abgeordnete, Bei der Angeloburg im September 2021 war sie
hochschwänger, ab Jänner wieder
voll da: „Für Mütter ist das schon ein
gewisser Druck, wenn das Kind
krank ist, dann ist man halt selber
gern beim Kind, zugleich weiß man
um die Verantwortung als gewählte
Mandatarin. Da hat man nach allen
Seiten cin schlechtes Gewissen.”
Pfiegrurlaub gibt cs für Politikerinnen ebenso wenig wie Karenz,
das kennt Seidl als Selbstständige
mi einer Werbeagentur von (rüher.
Vertretungen sind nur In Ausschüssen möglich, was bei Ihr und den
Neos m Klob „gut fanktianlert“,
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Als Johanma Jachs (li,) auf Instagram
postete, dass es zuch für Politikermnen
anstrengend ist, wenn das Kind krank und
der Job denmoch fordernd ist, kamen
schnell Anwürfe. Julia Seict (oben} kennt
das und plidiert für mehr gegenseitiges
Verständnis: „Manchmal ist es einfach wiel.”
D N
Für die Tirolerin - ihr Sobn ist eim
Jahr alt, ihre Lebensgefährtin kn
Karenz — biklet die Twitter-Debatte
jedenfalls das „werschobene Bikl vorn
Politik* ab: „Viele glauben, dass die
pnllnrhc Arbeit mit der Sitzung erkedigt ist, aber der Großiteil der palitischen Arbeit findet abseits davon
statt, und dann ist es halt so wie bei
anderen berufstätigen Ehtern auch:
Es passiert immet alles gleich
Haus so manchem Henm schon zu
viel. Damals, 90, brachte Christibe Heindl als erste Frau das Thema
Kind buchstäblich ins Parlanment, Es
wurde ein kleiner Skandal, Als die
Bununllndmn im R4hmen der
als Abg der
Grünen ihren Sohn stillte, rügte sie
der Nationalratspräsident
Rudolf Püder (SPÜ) für die „unzwmutbare Belastung für das Kind“,
laut Protokoll mit „Beifall” quittiert.
Seine Sorge, so erzählte Heindl in
einem STANDARD-Interview, war:
„Das arme Baby, diese schlechte
Luft im Parlament.” Der Präsident
schlug ihr vor, das Kind „beute* dem
Parlamentsarzt „in Obhut zu geben”
und ansonsten ‚Vorsorge für eine
anderweitige Betrewung zu treifen”.
Seither hat sich viel geändert und
dach noch immer nicht genmg,
meint die Jangfährige ebemalige
ÖVP-Spitzenpoliikerin Marıa
Rauch-Kallat. Sie hat oft erlebt, wie
Männer Frauen erklärten, wie sie
ihren Job machen sollen, ob als Politikerin oder lieber noch als Mutter,
Allerdings, sagt sie: „Dass wir so
junge Politikerinnen haben, ist ein
Phänomen der letzten zwanzig Jahve, davor kam man als Frau ohnehin
fast nie vor $0 ins Kahe Haus oder
in bohe politische Ämter. Und bei
den Männern in der Politik waren
Kinder kein Thema, weil das oh die
Frauen dabeim erledigt haben.“
Die ersto Ministerin, die m Ant
schwanger wurde, war Karln Gastinger. Die ür Justiz zuständlge BZÖ-
Poditikerin gebar 2006 Ihren Sohn.
Stillen im Hohen Haus
Im neu sanierten Parlament gı
es jedenfalßs ein Still- und ein Spielzimmer. Vielleicht hat EZisabeth
Feichtinger dabei eine Rolle gespielt.
Denn die 35-jährige SPÖ-Abgeordnete aus dem Salzkammergut hat 2019,
schwanger mit Tochter Lea, im Ausweichquarber in der Hofburg ein
Rube- und Stilkimmer initüert. Damals haben sie und die ebenfalls gendt schwangere Jachs an langen
da oft g
eine kleine Ruhepause c1nevkgl.
Var oiner Woche hat Ihro zweite
Tochter, die viermonatige Fila, beveits ihren zehnten Tag im Parlamen verbracht und wurde ganz un
aufgeregt himten im Skzungssaal gexAUL „ICh nelme nvein Kind mit, da
ich stilbe, Leider sind Müntter in der
Politik noch keine Selbstverständlichkeit.“ Sollten sie aber, denn auch
Feichtinger, deren Maın in Karenz
ging, macht immer wieder die Erfahrung doppelter Maßstäbe: „Bei
Männern ist es eine Leistung, wenn
sie Kinder bekommen, bei Frauen
wird immer gefragt, ob wir dann
Doch genag Zeit haben für das Kind,
die Familie, den Beruf, die Politik.”
Die Vizebürgermeisterin von Altmünster, eine ausgebildete Volks-,
Sonderschul- und Reiiglonsiehreri
und Ihr Mann Icümmern sich um
vuerklndev le!yüi]und("bna[m)‚
für die das Ebevur nl-eOhsocge hat,
sowie die Tächter Lea (3) und Ella,
‚Wenn man mebr junge Frasen
in der Politik will, müsste man auch
für emtsprechende Rahmenbedingungen sorgen“, sagt Feichtinger.
Mutterschutz auch für Politikerinnen halte sie wie Jachs für „echt
wichtig“, ein Parlamentskindergarten für alle dart Tätigen, den auch
Seni begnßen würde, wäre „eine
Sache”,
Aber Zeit kann man nicht kaufen.
Und danzn hat auch jemand, der viel
werdient, das Recht zu sagen:
Manchmal ist es eilinfzch viel.”
Vor 32 Jahren war die biaße Anwesenbeit eines Babys m Hohen
Hat sie einen Ratschlag an Mütter, egal, ob in der Politik oder sanst
wo? „Einfach den eigenen Weg geen und schauen, was tut mir und
meinem Kind gut. Niemand weiß
das besser als man selbst.”