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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_12_21_Presse_OCR
- S.14
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Kurier
„Scharfe Kritik an Wohnungsvergaben“, Seite 16
Scharfe Kritik an Wohnungsvergaben
Tirol/Oberösterreich. In Innsbruck soll für den Mittelstand der Zugang zu leistbaren Wohnungen erleichtert
werden. Das geht auf Kosten von Bedürftigen. In Linz steigt die Nachfrage nach sozialem Wohnraum stark
VON CHRISTIAN WILLIM
UND JOSEF KLEINRATH
Peter Grüner vom Innsbrucker Sozialverein Dowas,
der Menschen in Wohnungsnot berät, bemühte am Montag ein Bibelzitat: „Wer hat,
dem wird gegeben.“ Diesen
sogenannten Martthäus-Effekt
sieht er durch neue Vergaberichtlinien ausgerechnet bei
der Zuteilung von leistbaren
gen greifen.
In den am vergangenen
Donnerstag im Gemeinderat
mit einer Mitte-Rechts-Mehrheit beschlossenen Kriterien
orter Grüner einen „Akt der
Entsolidarisierung“. Die neuen
Regeln, mit denen auch der
Mittelstand Zugang zu Stadtwohnungen erhalten Ssoll,
seien „unsozial, ungerecht,
gleichheitswidrig und verant-
o6“, so der Dowas-
Experte bei einer Pressekonferenz mit SPÖ-Stadtparteiobmann Benjamin Plach.
Zwei Listen, ein Kuchen
Konkret soll es ab 1. März
zwei Anmeldelisten für Sozialwohnungen geben. Antragsteller aus dem sogenannten Mittelstand — ako
Besserverdiener — wären dann
grundsätzlich bereits anspruchsberechrtigt, wenn ihre
Mietbelastung 25 Prozent des
Netrofamilieneink
übersteigt. Auf der zweiten
Liste gelten weiter die alten
Kriterien, hier muss die Mietbelastung 40 Prozent des Einkommens übersteigen.
„Jemand, der weniger verdient, muss also eine höhere
Mietbelastung haben“, lautet
die Rechnung von Plach. Ein
Haushalt mir zwei Erwachsenen und einem Kind mit
einem Moanatseinkommen von
4.000 Euro müsse 1.000 Euro
Miecbelastung vorweisen, um
auf die neue Liste zu kommen. Wird die Familie nicht
dem Mittelstand zugerechnet, müsse sie bei einem Ein-
„Die neuen Richtlinien
für die Wohnungsvergabe
sind unsozial, ungerecht,
gleichheitswidrig und
verantwortungslos“
Peter Grüner
Sozialverein Dowas
kommen von 3.500 Euro aber
1.400 Euro Mierbelastung haben, um Chancen auf eine Sozialwohnung zu haben.
Trotz seiner Kritik teilt
Plach den Ansatz, dass der
Mittelstand Zugang zu Stadtwohnungen erhalten soll:
„Das sind Leute, die uns aus
Innsbruck wegbrechen.“ Das
Grundproblem in der Tiroler
Landeshauptstadt: Das Woh-
nen ist hier derart teuer, dass
Menschen mit durchaus passablen Gehältern sich Mieten
am freien Markt nicht leisten
können, aber bisher auch
keinen Anspruch auf Sozialwohnungen hatten.
Das neue Modell siehr
aber vor, dass ausgerechner
ein Drittel der ausfinanzierten
und somit günstigsten Stadtwohnungen an den Mittelstand gehen sollten. Und damit der Kuchen für die sozial
Bedürftigen kleiner wird. Auf
der Warteliste für eine der
rund 17.000 Stadtwohnungen stehen schon jetzt konstant rund 2.000 Personen.
Massiv gestiegen sind
Druck und Nachfrage auch
in Linz. Zwar gibt es in
der o6. Hauptstadt mit
120.100 Wohneinheiten so
viele wie noch nie, aber auch
die Nachfrage ist groß wie nie.
Das zeigen die Zahlen, die der
Linzer städtischen Wohnbaugesellschaft GWG vorliegen.
4.000 Anmeldungen
Bei der GWG, dem größten
Wohnungsanbieter in Oberösterreich und Linz, wohnt
fast jeder sechste Linzer. Bis
Oktober dieses Jahres wurden mit fast 4.000 um 33 Prozent mehr Anmeldungen als
im Jahr davor verzeichnet.
Insgesamt sind über
10.000 Wohnungssuchende
bei der GWG in Linz vorgemerkt, erwas mehr als
4.000 suchen aktiv nach
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einer neuen Wohnung, bei
der Hälfte davon geht es um
dringlichen Wohnbedarf — etwa nach Trennungen oder
wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Stark zu
spüren sei derzeit auch, dass
die Menschen — vornehmlich
ältere Semester — wieder aus
dem Umland in die Stadt zurückziehen wollen — erwa
wegen der besseren Gesundheitsversorgung, so die GWG.
Zurückzuführen sei die
massive Steigerung bei der
Nachfrage an Wohnungen
auch darauf, dass wesentlich
weniger Einfamilienhäuser
gebaut werden als früher
— der Rückgang von 70 Prozent bei der Errichtung von
Einfamilienhäusern müsste
Zahlen
Innsbruck
Für rund
17.000 Wohnungen
hat die Stadt das
Vergaberecht, jähr-
Bch können rund
500 davon neu
vergeben werden.
Auf der Warteliste
stehen konstant
etwa 2.000 Personen
Linz
In Objekten der GWG
(gemeinnützige
Wohngesetlschaft
der Stadt Linz)
wohnt fast jeder
sechste Linzer. Hier
sind derzeit mehr als
10.000 Wohnungssuchende vorgemerkt. Bis Oktober
gab es heuer
4.000 $
um 30 Prozent mehr
als im Vorjahr. In
Linz sind 55 Prozent
aller Wohnungen
dn Sal
zuzurechnen
auch mit Wohnungen, häufig
im städtischen Bereich, kompensiert werden, betonen
Vertreter der GWG.
Laut kürzlich veröffentlichter Zahlen des Städtebundes hat Linz den größten
Anteil an öffentlichem und
gemeinnützigem Wohnbau
von allen Städten mit mehr
als 11.000 Einwohnern in
Österreich. 55 Prozent aller
Wohnungen sind das in Linz,
knapp gefolgt von Kapfenberg (52 Prozent) und Knittelfeld (51 Prozent). In Innsbruck liegt der Anteil knapp
unter 25 Prozent, in Graz
unter 20 Prozent. Wien hält
inklusive der 220.000 Gemeindewohnungen bei einem Anteil von 40 Prozent.