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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_11_25_Presse_OCR
- S.9
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Tiroler Tageszeitung
„Drei Grüne feiern ihren Befreiungsschlag“, Seite 25
E A G
ihren Befreiungsschlag
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Drei grüne GemeinderätInnen gründen neuen Klub.
BM Willi schließt Rücktritt aus und nennt die Bürgermeister-Direktwahl einen „Konstruktionsfehler.“
Von Denise Daum
Innsbruck - Wer geglaubt hat,
dass einen nach jahrelangen
Streitereien und unzähligen
„Knalleffekten“ in der Innsbrucker Stadtpolitik nichts
mehr überraschen kann, der
wurde gestern überrascht.
Kurz nach Beginn der Gemeinderatssitzung meldet
sich die grüne Mandatarin
Marcela Duftner zu Wort. Sie,
Thomas Lechleitner und Renate Krammer-Stark verlassen mit sofortiger Wirkung
die grüne Liste und gründen
ihren eigenen Klub mit dem
Namen „Lebenswertes Innsbruck - eine Stadt für alle“.
Schnellschuss sei das sicher keiner gewesen, erklärt
Thomas Lechleitner im Gespräch mit der T7T. Ein halbes
Jahr lang hat der nunmehrige Ex-Bezirkssprecher mit
dem Gedanken gespielt, die
Grünen zu verlassen. Weil er
zunehmend die grünen Ide-
ale verraten sah von Georg
Willi, seinen engsten Mitarbeiterinnen und Klubobfrau
Janine Bex. Weil ihnen jegliche Selbstreflexion fehle.
Weil sie demokratische Entscheidungen negieren würden. Weil deren Umgang mit
finanziellen Ressourcen der
Stadt fragwürdig sei. Weil für
sie der eigene Machterhalt
über allem stehe.
Seinen Unmut hat Lechleitner gegenüber seinen grünen
KollegInnen mehrfach zum
Ausdruck gebracht und gewarnt, dass er vor dem Absprung ist. „Das war ihnen
völlig egal.“
Genug ist genug, hieß es für
Lechleitner und seine beiden
Mitstreiterinnen schließlich,
als Georg Willi — ohne Rücksprache mit dem grünen Klub
— vergangene Woche das Personalamt auflöste und für
seine in Kritik geratene Personalchefin eine neue Stabsstelle schuf.
Der Austritt sei ein „Akt der
Selbstachtung“, sagen Lechleitner, Duftner und Krammer-Stark. „Durch die Gründung unseres Klubs schaffen
wir neue Möglichkeiten für
Mehrheiten und eine konstruktive Zusammenarbeit im
Gemeinderat“, sagt die neue
Klubobfrau Marcela Duftner.
Die Grünen sind damit
nicht mehr stärkste Kraft im
Gemeinderat und haben nur
mehr sieben Sitze — wie die
FPÖ und Für Innsbruck.
Die Warnsignale haben sie
wohl nicht ernst genommen,
denn der Austritt hat die Grünen kalt erwischt. Den Vorwurf der mangelnden Transparenz gab Bürgermeister
Georg Willi deshalb sogleich
an die drei „Abtrünnigen“ zurück.
„Es tut weh, aber ich kann
es nicht ändern“, sagt Willi.
Und geht zur Tagesordnung
über. Die erhobenen Vorwürfe kann er nämlich nicht
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Foro: Lieb! Daniel/zeR ungst 0M
nachvollziehen. Noch nie sei
so viel im grünen Klub diskutiert worden wie unter seiner
Führung. Er hinterfrage sich
auch ständig. „Hinterfragen
ist unser tägliches politisches
Geschäft“, beteuert Willi.
Hinterfragenswert ist für
den Bürgermeister angesichts der Turbulenzen vor allem eines: die Direktwahl des
Stadtoberhaupts. „Wir haben
zwei direkt gewählte Organe:
den Gemeinderat und den
Bürgermeister. Beim freien Spiel der Kräfte ist es für
den Bürgermeister schwierig
zu arbeiten“, sagt Willi. Die
Juristen im Land Tirol — das
Stadtrecht liegt in der Kompetenz des Landes - sollten
sich überlegen, diesen „Konstruktionsfehler“ zu beheben.
Auf die Verteilung der
Stadtsenatssitze hat die grüne
Spaltung keine Auswirkungen. Sehr wohl aber auf die
Verteilung von Geldern, Räumen und KlubmitarbeiterInnen. Da müssen die Grünen
nun Abstriche machen. Das
schmerzt. Aber wohl nicht
so sehr wie der Machtverlust.
Und das verheerende Bild,
das Georg Willi und sein Umfeld einmal mehr abgeben.