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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_08_10_Presse_OCR
- S.20
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Bezirksblätter Innsbruck
„Diskussion über Grenzen der Kunst“, Seite 2/3
Diskussion über Grenzen der Kunst
Der Schriftzug „Gebt
dem Führer euer Ja“
auf der Glasfassade
der Stadtbibliothek
sorgt für Aufregung.
VON MICHAEL STEGER
INNSBRUCK. „Gebt dem Führer
euer Ja“ ist seit ı. Juli in riesigen
Lettern auf der Glasfassade der
Stadtbibliothek zu lesen. Der Slogan, der ein historisches Zitat aus
den Innsbrucker Nachrichten ist,
die diesen Slogan am 9. April 1938
auf ihrer Titelseite stehen hatten,
ist auch der Titel einer Ausstellung in der Stadtbibliothek. GR
Gerald Depaoli geht die Darstellung zu weit, er hat nun zwei Anzeigen gegen den Bürgermeister
eingebracht.
Hintergrund
Noch bis zum 13. August findet
im Gebäude der Stadtbibliothek
eine Ausstellung statt, die sich
mit einem der dunkelsten Kapitel
der Innsbrucker Stadtgeschichte
beschäftigt. Wie Kurator Niko Hofinger zusammenfasst „gibt die
Schau die Gelegenheit, sich mit
politischen Parolen, Propaganda,
Zensur und Manipulation auseinanderzusetzen und den richtigen
Umgang damit zu finden.“ Teil der
Ausstellung ist auch der Schriftzug, der von außen gut sichtbar
und ein historisches Zitat ist.
Politstreit
Bürgermeister Georg Willi versteht die Aufregung nicht: „Die
laufende Ausstellung in der Stadtbibliothek dient der Aufarbeitung
dieses wichtigen Themas und soll
daher natürlich auch Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.
Gemeinsam mit der diesjährigen
Aktion im Rahmen von ‚Innsbruck liest" ist es gelungen, dieses
wichtige Thema in den Fokus der
Innsbruckerinnen und Innsbrucker zu rücken“, so Bürgermeister
Willi. ALI-Kultursprecher Marco
Frei wiederum verweist darauf,
dass eine zusätzliche Beschriftung
mit dem Hinweis auf die Ausstellung nicht geschadet hätte, hofft
aber, dass es „keine Anzeigen gegen die Regisseure von Filmen
wie Schindlers Liste gibt, der auch
nationalsozialistische Zeichen im
Sinne einer Aufarbeitung zeigt”.
Kulturamt wehrt sich
„Die Ausstellung läuft seit mittlerweile fünf Wochen und wir
haben schon im Vorfeld eine Einladung verschickt, die auch an GR
Depaoli ging. Dass er jetzt Anfang
August etwas einzuwenden hat,
ist ein wenig spät. Wenn man im
Rahmen einer Ausstellung nicht
mehr damit arbeiten darf, wann
soll man sich denn dann mit der
zen?”, fragt sich Kulturamtsleiterin Isabelle Brandauer und er-
gänzt: „der Inhalt der Ausstellung
ist alles andere als im Sinne einer
möglichen _Wiederbetätigung
zu deuten, natürlich erweckt der
Schriftzug Interesse, aber als kleine Randnotiz sei erwähnt, dass
genau diese Frakturschrift 1940
von Adolf Hitler höchstpersönlich
verboten wurde.“
Missverständnis
Kurator Niko Hofinger ist seit 25
Jahren Haushistoriker der Israelitischen Kultusgemeinde. Er sieht
auch Positives im Aufschrei. „Der
Titel war offenbar gut gewählt,
aber mir geht es um die Inhalte“
so Hofinger und ergänzt: „Wir
können bei Bedarf gerne noch
eineA Il führung für jene
Die Initiatoren der Ausstellung wählten diesen Schriftzug, der ein histori-
sches Zitat ist, um auf die Ausstellung aufmerksam zu machen.
brucker nicht an unangenehme
Zeiten erinnern sollt.
Israelitische Kultusgemeinde
anbieten, die glauben, hier würde
etwas anderes geboten als wissenschaftlich fundierte Vermittlung
der Erinnerung an schwere Zeiten
der Stadtgeschichte.“ Er sieht generell ein Missverständnis, wenn
man glaube, dass man die Inns-
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Der Präsident der Israelitischen
Kultusgemeinde, Günter Lieder,
findet es wichtig, dass diese Ausstellung gezeigt wird, und richtig,
dass man mit einem pointierten
Titel jene Aufmerksamkeit dafür
erzeugt, die sie verdient.
Foto: Depaoli
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