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Tiroler Tageszeitung

TirolerseTageszeitung

„Klimawandel nicht nur im Pitztal“, Seite 2
18.7.2022

Klimawandel nicht nur im Pitzta

In Tirol hat sich die Stimmung gewandelt. Wachstumsgrenzen und Nachhaltigkeit werden nicht mehr als vereinbar mit Großveranstaltungen oder Skigebietserweiterung gesehen. Auch daran ist die geplante Gletscherehe Pitztal-Ötztal gescheitert.

Von Peter Nindler

grünen Landesregierung forcierten

neuen Wege im Tourismus auch sein
mögen: Nichtsdestotrotz hat die Debatte darüber einen breiten Nachdenkprozess ausgelöst. Wer hätte sich noch vor Jahren gedacht,
dass die Standortgemeinde den geplanten
Zusammenschluss der Skigebiete auf dem
Pitztaler und Ötztaler Gletscher ablehnt? An
der Gletscherehe haben sich Befürworter wie
Gegner (politisch) gerieben. Schließlich war
das 132-Millionen-Euro-Vorhaben mit drei
neuen Seilbahnen, 64 Hektar zusätzlichen
Pisten, einem Skitunnel und einem neuen
Speicherteich eben ein Gradmesser dafür,
wie es die Politik und speziell die Tiroler ÖVP

S 0 unverbindlich die von der schwarz-

mit dem touristischen Perspektivenwechsel
tatsächlich hält.

Der fortschreitende Gletscherschwund
und die im Umweltverträglichkeitsgutachten
als untragbar eingestuften Auswirkungen auf
das Landschaftsbild sowie den Erholungswert
haben die Gletscherehe bereits vor zwei Jahren auf Eis gelegt. Das Projekt hätte ohnehin
deutlich überarbeitet und abgespeckt werden
müssen, damit es die Hürde für die Umweltverträglichkeit irgendwie schafft. Denn verbessert haben sich die Rahmenbedingungen
seither nicht wirklich. Nicht einmal im Pitztal,
das auf den Tourismus angewiesen ist, wird
der Skigebi, hluss offenbar
noch als einziges Allheilmittel gesehen.

Deshalb geht das Signal aus St. Leonhard
weit über das Pitztal hinaus. Es manifestiert

eindrücklich die heutige Skepsis gegenüber
vielen Großprojekten im Tourismus, andererseits benötigt es angesichts des Klimawandels

neue und nicht alte Antworten auf die Heraus-

forderungen in der Freizeitwirtschaft. Passen
rekordverdächtige Pistenkilometer überhaupt
noch zu Tirol? Wie ist es mit der Verkehrsbelastung, wenn es sich an den Wochenenden
in den Tälern staut? Zudem kann der Mangel
an Mitarbeitern bei Seilbahnen, in der Gastronomie und Hotellerie nicht mehr mit den
ambitionierten Ausbauplänen mithalten.
Kommt die knappe Ablehnung der Bevölkerung in St. Leonhard, die das Aus für die
Gletscherehe bedeutet, jetzt überraschend?
Nein! Schon 2017 haben sich 54 Prozent der
Tiroler gegen dritte Olympische Winterspiele

in Innsbruck ausgesprochen. Wachstumsgren-

Seite 3 von 15

zen, Nachhaltigkeit und Großveranstaltungen
bzw. Skigebietserweiterungen — für die Bevölkerung passt das offensichtlich nicht mehr
zusammen. Müssen für Seilbahnen dann auch
noch Berggrate weichen, wird es selbst für die
Politik unmöglich, weiterhin die notwendige
Balance zu bewerben. Und es sind nicht nur
die als grünaffin bezeichneten Städter, die
zweifeln, die Bedenken sind
längst am Land angekommen - wie in St. Leonhard im
hinteren Pitztal.

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auf Seite 19

peter.nindier@tt.com