Pressespiegel seit 2021

Jahr: 2022

/ Ausgabe: 2022_05_3_Presse_OCR

- S.7

Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Dokument

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 2022_05_3_Presse_OCR
Ausgaben dieses Jahres – 2022
Alle Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Tiroler Tageszeitung

„Ein Wunderwerk, das Wunder wirkte“, Seite 23

Ein Wunderwerk, das Wunder wirkte

Das berühmte Gnadenbild Mariahilf von Lucas Cranach „übersiedelte“ gestern vom Dom zu St. Jakob ins
Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck. Eine kleine, feine Sonderschau rollt die Geschichte des Bildes auf.

Von Michael Domanig

Innsbruck - Montag, 8 Uhr, im
Innsbrucker Dom zu St. Jakob:
Unter den Augen von Dompropst Florian Huber schicken sich Günter Hofer und
Michael Pfeifhofer, Experten
der Firma „MuseumsPartner“,
an, eines der tirol-, wenn nicht
Österreichweit bekanntesten
Kunstwerke transportfertig zu
machen — das berühmte, unzählige Male kopierte und variierte Gnadenbild Mariahilf
von Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553).

Im Dom war das knapp 80
x 50 cm große Bildnis zuletzt,
im Zuge einer „temporären
Intervention“ zur Fastenzeit,
vom Hochaltar in den Philipp-Neri-Seitenaltar versetzt
worden. Nun, da der Dom zur
Renovierung bis 26. November für Messen und Andachten geschlossen ist, übersiedelt das Bild in die kleine, aber
besonders feine „Oh, Maria
hilf“-Sonderschau im Stadtarchiv/Stadtmuseum.

Schicht für Schicht verpacken die nervenstarken Profis
das ikonische Bild in schützende Hüllen, bis die Transportbox am Ende dasteht wie
ein übergroßes Weihnachtspackerl —- mit „Handle with
care“-Aufkleber statt Schleife. Per Handwagen wird es in
aufrechter Position aus der
Kirche transportiert, von dort
in einen Transporter gehoben
und zum Ausstellungsraum
in der nahen Badgasse gefahren. Dort wird es wieder ausgepackt und auf einem Podest
millimetergenau in Stellung
gebracht und gesichert. Rund
zwei Stunden dauert die ganze delikate Prozedur.

Ursprünglich befand sich
das von Cranach um 1537 ge-

Im Stadtmuseum wird das ikonische Bildnis effektvoll in Szene gesetzt. Dort trat das Original (r.0.) gestern an die Stelle einer bisher ausgestellten

Kopie (I.u.), die dafür einen kostbaren Originalrahmen aufweist. In Dresden hatte Leopold V. das Bild einst erwählt - oder das Bild ihn?

schaffene Werk in Dresden.
1611 ging es als Geschenk des
Kurfürsten Johann Georg 1.
von Sachsen an Leopold V.,
den Bischof von Passau — und
späteren Landesfürsten von
Tirol. Schon in Passau entwickelten sich Wallfahrten zum
Gnadenbild. Nach der Übernahme der Regentschaft in Tirol durch Leopold kam es 1619

nach Innsbruck, anfangs in
die Hofburg. Im Dreißigjährigen Krieg gestattete Leopolds
Sohn Erzherzog Ferdinand
Karl, das Bild bei Bittandachten in der St.-Jakobs-Kirche
zu präsentieren — was die Verehrung weiter befeuerte. 1650
gelangte das Bildnis endgültig
in die Kirche, wo es zunächst
in einem Seitenaltar, dann, im

barocken Neubau (dem heutigen Dom), im Hochaltar eingesetzt wurde.

Ohne Zweifel zählt das Gnadenbild zu den bekanntesten
Mariendarstellungen im Alpenraum. Im 17. und 18. Jh.
entstanden im deutschsprachigen Raum über 500 Mariahilf-Wallfahrtsstätten, in Tirol
weisen 53 Kirchen und Kapel-

Seite 7 von 17

Fotos: Rıa Falk

len ein Mariahilf-Patrozinium
auf. Allein in Innsbruck ziert
das Motiv über 60 Hausfassaden, Kopien finden sich in
ganz Europa.

Der Ausstellungsraum, gestaltet vom Büro „Weiberwirtschaft“, erzählt die Geschichte
des ikonischen Werks mit wenigen, dafür umso faszinierenderen Objekten (aus dem

Dom und der Kunstkammer
Mariahilf): Ein detailreiches
Ölgemälde von Paul Honegger
(um 1632) zeigt Leopold und
Claudia de’ Medici kniend mit
der Botschaft „kvme vns/zv
hülf“, dazu Bittprozessionen
und die Bildübergabe.

Auf einem weiteren Gemälde aus dem 18. Jahrhundert ist
dargestellt, wie sich Leopold
in Dresden aus allen Kostbarkeiten gerade das schlichte
Bild als Gastgeschenk erwählt
— wobei es hier eher so wirkt,
als erwähle das Bild ihn.

Wunderbar ist auch eine
kleine „Berührungskopie“ des
Gnadenbildes, die im August
1784 ans Original gehalten
wurde — im Glauben daran,
dass sich die Heilswirkung so
auf die Kopie übertragen ließe, wie die Ausstellungsverantwortliche Renate Ursprunger ausführt.

„Star“ der Schau — geöffnet
bis 22. Mai, täglich von 9 bis 17
Uhr - ist ab jetzt natürlich das
Original, das man hautnah bewundern kann: Es weiß noch
immer zu berühren, in seiner
reduzierten Komposition, mit
der einfach gekleideten Madonna in typisch blau-roter
Farbkombination, dem nackten Kind, das nach ihrer Wange greift, der ursprünglichen,
liebevollen Mutter-Kind-Beziehung.

Unzählige Wallfahrer beteten in Krankheit und Not vor
dem Mariahilf-Bild, das Archiv der Dompfarre umfasst
bis heute 30 Bände voll historischer, meist handgeschriebener „Mirakelberichte“.
Einige davon sind in der Ausstellung nachzulesen. Und bis
heute bildet Cranachs schlichtes Meisterwerk ein zentrales
Pilgerziel für Innsbruck-Besucher aus aller Welt.