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Jahr: 2022
/ Ausgabe: 2022_04_14_Presse_OCR
- S.10
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Gesamter Text dieser Seite:
Tiroler Tageszeitung
„Die Saligen: Zwischen Kunst und Nazi-Mief“ (Stadtspaziergang Pradl),
Seite 4
Die Saligen: Zwischen
Kunst und Nazi-Mief
Im Rapoldipark zieht eine außergewöhnliche und
nicht unproblematische Skulptur die Blicke auf sich.
Den Salige-Fräulein-Brunnen
im Rapoldipark schmückt eine Skulptur mit brisanter Historie. Schon auf den ersten
Blick zieht das unbekleidete
Damenensemble, das aus einem einzigen großen, strahlend weißen Block aus Laaser
Marmor gemeißelt wurde,
den Betrachter in seinen
Bann. Die Kunstfertigkeit,
mit der die „Saligen Fräulein“
dem Stein abgerungen wurden, ist kaum in Zweifel zu
ziehen.
Die Saligen sind Sagengestalten, die im Tiroler Raum
beheimatet sind. Es sind
Wald- oder Bergfrauen, die
einerseits als Beschützerinnen
auftreten, andererseits als gefährliche Verführerinnen mit
starker erotischer Komponente - besonders während der
Vollmondnächte. In einer
aus dem Ötztal überlieferten
sagenhaften Erzählung wird
etwa der Sohn eines Almhirten von den saligen Frauen
aus den Fängen eines Bartgeiers befreit. Der Bub verspürt
seitdem einen unbändigen
Drang, in die Natur und auf
die Berge zu ziehen. Ein Im-
puls, dem er später als Bergsteiger und Jäger regelmäßig
nachgibt. Als er eines Tages
an einer Felswand abstürzt,
wird er ein zweites Mal von
den Saligen gerettet. Er erwacht in ihrem prunkvollen
Palast im Berg, verfällt ihnen
hoffnungslos und wird drei
Tage lang auf alle erdenklichen Arten gesund gepflegt.
Die drei Frauen zeigen ihm
bei seinem Abschied den Eingang zu ihrem Reich und versprechen ihm, dass er in jeder Vollmondnacht zu ihnen
zurückkehren dürfe - wenn
er ihnen Treue schwört, niemandem etwas von ihnen
oder ihrem Palast erzählt und
auch kein Tier mehr tötet.
Das seltsame Verhalten des
liebestrunkenen Mannes erregt bald Verdacht. Als seine
Eltern ihm heimlich folgen,
verschließt sich das Tor zum
Palast vor seinen Augen für
immer. Als der gebrochene
Mann eines Tages wieder Sseinem Jagdtrieb nachgibt, erscheinen die Saligen mit entstellten Fratzen und er stürzt
im Schreck in den Abgrund.
Die Entstehungsgeschichte
der „Saligen Fräulein“ im Rapoldipark weist in die 1940er-
Jahre. Die Skulptur war eine
Auftragsarbeit der damaligen
Gauhauptstadt Innsbruck für
den Rennweg. Der Südtiroler Bildhauer Hans Plangger
war während der NS-Zeit ein
beliebter und erfolgreicher
Künstler. Seine Werke erfüllten die nationalsozialistischen Forderungen an die
bildenden Künste in jeder
Hinsicht. Auch die Tiroler Sagenfiguren wurden mit dieser Skulptur in die Asthetik
und Ideologie des Nationalsozialismus übertragen. Die
„Saligen“ entsprechen dem
Rassenideal und fügen sich
hier einem Frauenbild, das
mit den gleichförmigen, reinen und „arischen“ Körpern
sowie einer von Hingabe und
Unterwürfigkeit gezeichneten Mimik und Haltung der
perfekten „deutschen Frau“
nacheifert.
Durch den Kriegsverlauf
wurden die „Saligen“ aber
erst 1954 fertiggestellt und
schließlich 1958 im Rapoldipark auf Geheiß der Stadt feierlich aufgestellt.
Die Aktskulptur im Rapoldipark trägt die Handschrift des nationalsozialistischen Kunstverständnisses.
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Fotoc Rka Falk