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Tiroler Tageszeitung

„Strategischer Stillstand“, Seite 12

Strategischer Stillstand

Die Innsbrucker „Kulturstrategie 2030“ soll im März veröffentlicht werden. Ob das
Großprojekt wie geplant umgesetzt werden kann, scheint für viele derzeit fraglich.

Von Joachim Leitner

Innsbruck - In Innsbruck
wird seit Ende 2019 ganz offiziell, sprich vom Stadtsenat
beschlossen, über die Rolle
gesprochen, die die Kultur
in der Stadt künftig spielen
soll. Der Prozess - für den
120.000 Euro budgetiert sind
— wird professionell begleitet
und ist mit „Kulturstrategie
2030“ überschrieben. Es gab
mehrere - pandemiebedingt
vornehmlich virtuelle — Arbeitstreffen. Zwischen 80 und
150 Vertreterinnen der hiesigen Szene haben regelmäßig
daran teilgenommen. Und es
gibt ein etwa 300 Seiten starkes Grundlagenpapier, das
die gewonnenen Einsichten
in bisweilen herausfordernd

Hintergrund

Bremst „das freie Spiel der Kräfte“
Innsbrucks Kulturstrategie aus?

wolkige Wortwolken zusammenfasst. Die „Funktionärsmeierei“ mancher Strategietreffen wurde kritisiert, das
ernst gemeinte Bemühen um
Vernetzung und Integration
aber selbst von den meisten
Kritikern durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Das mit der Kulturstrategie
beauftragte städtische Referat für Kulturentwicklung und
-förderung kommunizierte
durchaus offensiv. Der Eindruck, dass durch den Fokus
auf das ferne 2030 notwendige kulturpolitische Weichenstellungen vorerst auf ein Irgendwann vertagt werden
könnten, ließ sich trotzdem
nicht immer ausräumen. Zumal sich durch Corona auch
und gerade die Bedingungen
von Kulturarbeit erheblich
erschwert haben.

A

Die Entscheidung, ob der Pavillon am Landestheatervorplatz künftig dau

Kunst bespielt werden kann, steht noch aus.

Das Grundlagenpapier wird
dieser Tage zum Strategiepapier verdichtet. Noch wird an
Formulierungen gefeilt, aber
Mitte März soll es zur öffentlichen Begutachtung vorliegen. Als „Handlungsvorgabe“
für die städtische Kulturpolitik — so hat es Kulturstadträtin Uschi Schwarzl (Grüne)
im Mai 2021 bezeichnet — soll
das Strategiekonzept noch
vor dem Sommer vom Innsbrucker Gemeinderat beschlossen werden.

Doch was, wenn sich im Gemeinderat keine Mehrheit für
das kostspielige Großprojekt
findet - oder dessen ab Herbst
angedachte Umsetzung aus
parteipolitischem Kalkül blockiert wird? Hört man derzeit
in die Innsbrucker Kultur-

szene hinein, hört man auch
diese Befürchtung immer
wieder. Jedenfalls hinter vorgehaltener Hand. Öffentlich
darüber reden will niemand.
Erklärt wird diese Zurückhaltung auch mit langjähriger Erfahrungen: Wer mit kritischen
Einwürfen auffällt, könnte
spätestens beim nächsten
Subventionsantrag die Rechnung präsentiert kriegen.

Aus der Luft gegriffen ist die
Sorge um die Zukunft der Kulturstrategie im Werden freilich nicht. In den vergangenen
Jahren wurde - Stichwort: Rotunde am Rennweg - bereits
ein als partizipativer Prozess
angekündigtes Großprojekt
so lange verschoben, bis es
aus dem breiten Bewusstsein
verschwand. Die denkmalge-

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erhaft als „Kubus“ für zeitgenössische

Foro: Falk

schützte Rotunde ist im Besitz
des Landes. Stadt und Land
suchen seit 2012 ein Nachnutzungskonzept für den historischen Leerstand.

Inzwischen sind in Innsbruck die Möglichkeiten,
Begonnenes zu betonieren,
größer geworden. Seit dem
Aus der nie besonders harmonisch agierenden Koalition aus Grüne, Für Innsbruck
(FI), ÖVP und SPÖ im vergangenen Jahr wird im Gemeinderat bekanntlich das „freie
Spiel der Kräfte“ geprobt. Die
machtpolitische Gemengelage hat sich dadurch verändert. Strategischer Stillstand
wird durch neue Blockadevarianten ermöglicht.

Gerade Projekte, denen
sich —- ob zu Recht oder nicht

— ein „grünes Mascherl“ umhängen lässt, würden seither
von einer „neuen Koalition
rechts der Mitte“ aus FI, ÖVP
und FPOÖ blockiert oder die
Diskussion darüber auf die
lange Bank geschoben, hört
man dazu aus der Kulturszene. Dabei sei es davor schon
schwer gewesen, kulturpolitische Debatten sachlich
zu führen. Inzwischen aber
scheint es gang und gäbe, Initiativen auszubremsen - auch
und bisweilen vornehmlich,
um dem politischen Gegner
die Grenzen aufzuzeigen.

Dabei bleibt nicht nur Potenzial, sondern in letzter
Konsequenz auch Geld auf
der Strecke. Severin Sonnewends Konzept, den Glaspavillon am Landestheatervorplatz vom temporären „Reif
für die Insel“-Schauraum in
einen dauerhaften „Kubus“
als „Space for Arts“ umzuwandeln etwa, stieß bei Fördergebern von Land und
Bund auf Zustimmung. Aber
solange sich die Stadtregierung auf kein Nachnutzungsprojekt des Pavillons einigen
kann - oder eben will —, hängt
der „Kubus“ in den Seilen
und mögliche Subventionen
in der Luft.

In den Arbeitstreffen zur
Kulturstrategie wurde mehrfach der Wunsch geäußert,
dass es künftig neben dem
parteipolitisch besetzten Kulturausschuss, der Projekte zur
Förderung empfiehlt, auch in
Innsbruck — ähnlich wie beim
Land oder Bund - einen Fachbeirat geben sollte, der seine
Expertise bei der Einschätzung von Vorhaben einbringen kann. Gewissermaßen
als Möglichkeit, die Debatten
vom parteipolitischen Gezänk
zu befreien. Ob es ein entsprechender Passus auch ins
Kulturstrategiepapier schafft,
wird sich zeigen. Noch darf
man also Hoffnung haben.